Austausch mit Denkfabrik Agenda Austria

Schellhorn: „Wir werden mehr und länger arbeiten müssen“

23.04.2024

Der Leiter der Denkfabrik Agenda Austria, Franz Schellhorn, war auf Einladung der Tiroler Adler Runde in Lans als Vortragender zu Gast und skizzierte einen wirtschaftlichen Lagebericht samt drängender politischer Handlungsfelder.  Schellhorns Fazit: „Wir preisen uns aus den Märkten heraus, ohne dass die Beschäftigten davon profitieren.“

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Vortrag Franz Schellhorn, Leiter Agenda Austria
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Vorstand der Tiroler Adler Runde mit Franz Schellhorn
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In entspannter Atmosphäre beim Isserwirt in Lans, aber vor einem konzentrierten Publikum der Mitglieder der Tiroler Adler, ging Franz Schelhorn, Gründer des liberalen Thinktanks Agenda Austria, auf den eher düsteren Ausblick für Industrie und Exportwirtschaft ebenso ein wie auf fehlende Produktivität und Leistungsanreize.

Fehlende Standortattraktivität aufgrund hoher Arbeitskosten

Zu Beginn der Präsentation thematisierte Schellhorn die Arbeitskosten im internationalen Vergleich. Fast nirgendwo steigen die Löhne schneller als in Österreich. So zahlt ein heimischer Durchschnittsverdiener mit einem Bruttogehalt von knapp 68.000 Euro mehr als 32.000 Euro an Abgaben an den Staat, netto bleiben ihm nur etwa 36.000 Euro. Auch ohne den Sozialstaat auf Diät zu setzen, verfügen beispielsweise Dänen oder Schweden über einen nicht minder guten Wohlfahrtsstaat als die Österreicher, wobei unseren nordischen Nachbarn dabei ein deutlich höheres Nettoeinkommen bleibt. Für Schellhorn ist dies gerade in Kombination mit den gestiegenen Energiekosten und den strukturellen Problemen des Landes – etwa der Bildungsmisere und einem dringend reformbedürftigen Pensionssystem – ein fatales Signal für die Standortattraktivität.

Eine Senkung der Arbeitskosten wäre der Regierung dringend zu empfehlen. Angesichts der weiterhin starken Preissteigerungen und den vollzogenen Lohnerhöhungen könnte die Regierung mit einer Senkung der Abgabenlast auf Arbeit den Anstieg der Arbeitskosten für Unternehmen reduzieren und so die Attraktivität des Standorts erhöhen“, sagt Schellhorn.

Schellhorn: Konsum wird uns nicht aus dem Tal ziehen

Die gestiegenen Arbeitskosten wirken wie ein Mühlstein angesichts eines sinkenden Realwachstums. Österreichs Wirtschaft weist gemeinsam mit Tschechien und Deutschland das niedrigste Realwachstum seit 2019 auf, die schwächsten Produktivitätszuwächse und gleichzeitig die höchsten Lohnstückkostensteigerungen unter den westlichen Industrieländern. Da die Inflation in Österreich deutlich über jener in der Eurozone lag, stiegen die Löhne in den Jahren 2023 und 2024 stärker an. „Diese Steigerung der Lohnkosten lässt sich nicht mehr durch Produktivitätssteigerungen kompensieren – zumal uns die geleisteten Arbeitsstunden dafür fehlen. Hinzu kommt, dass der Motor der Eurozone, Deutschland, ins Stocken geraten ist. Gleichzeitig konzentriert sich die heimische Politik immer nur auf den privaten Konsum und hofft, dass dieser uns aus dem Tal ziehen wird. Aber bisher tut sich nichts“, sagt Schellhorn.

Hinzu kommen rückläufige Exportzahlen – dramatisch in Deutschland, etwas weniger dramatisch in Österreich –, die wenig Gutes verheißen. Die Nachfrage nach österreichischen Maschinen und Autoteilen ist verhalten, auch weil die Kaufkraft in anderen Ländern unter der Inflation gelitten hat. Bereits im Vorjahr brach die abgesetzte Produktion der heimischen Industriebetriebe um 14,2 Prozent ein. Für die ersten Monate des Jahres 2024 meldet die Industrie einen schwachen Auftragseingang.

Teilzeit-Boom sorgt für schwache Produktivität

Für Schellhorn trägt der Teilzeit-Boom auch zur schwachen Entwicklung der heimischen Produktivität bei. Angesichts der explodierenden Arbeitskosten müsste sich die Produktivität sprunghaft verbessern, um den Sozialstaat zu finanzieren. Denn mit einer chilligen Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche ist das österreichische Sozial- und Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar. Vollzeitarbeit wird in Österreich jedoch kaum belohnt, während Teilzeitarbeit steuerlich subventioniert wird.

Schellhorn: „Weil die Menschen rechnen können“

Bei einer 50-prozentigen Aufstockung der Wochenarbeitszeit bleibt einer dänischen Arbeitnehmerin oder einem schwedischen Arbeitnehmer um 44,1 bzw. 43,4 Prozent mehr an Nettoeinkommenszuwachs. Stockt eine österreichische Arbeitnehmerin ihre Teilzeit um 50 Prozent auf, so bleibt ihr ein Nettoeinkommenszuwachs von 28,9 Prozent – sprich mehr in der Geldbörse. Weniger ist es nur in Belgien. Während rund drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich Vollzeit arbeiten, sind bereits 1,3 Millionen Menschen nur noch in Teilzeit beschäftigt. „Österreich entwickelt sich zur Teilzeitrepublik, und das sollte die heimische Politik auch gar nicht verwundern, denn die Menschen können rechnen. Wir werden aber länger und wohl auch wieder mehr arbeiten müssen. Leistung muss sich lohnen. Umso wichtiger wäre, ab den mittleren Einkommen spürbar zu entlasten, damit nicht immer mehr Menschen von der Voll- in die Teilzeit wechseln“, sagt Franz Schellhorn.

Handl: „Der Karren brennt“

Der Unternehmer und Präsident der Tiroler Adler Runde, Christian Handl, ist aufgrund der fehlenden Dynamik in der Industrie ebenfalls alarmiert: „Die Prognosen der Industrie sind pessimistisch – und das aus gutem Grund. Die Arbeitskosten sind für die Arbeitgeber dramatisch gestiegen, ohne dass die Beschäftigten in gleichem Maße profitieren würden. Noch weniger Netto vom Brutto gibt es nur in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Belgien. Entweder gelingt es uns mit einem kräftigen Ruck, das Ruder herumzureißen und die Standortattraktivität zu erhöhen, oder wir bleiben in einer Abwärtsspirale gefangen. Überspitzt formuliert: Der Karren brennt. Wir brauchen gezielte Maßnahmen wie etwa steuerliche Anreize, um die Investitionstätigkeit der Unternehmen anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Fehlende Reaktionsfähigkeit der Politik

Die Mitglieder der Tiroler Adler Runde zeichneten in der anschließenden Diskussion ein differenziertes Bild. Während Gastronomie und Tourismus in gehobenen Tourismusregionen boomen, gerät der Handel unter Druck: Preissteigerungen können nicht weitergegeben werden, und der Auftragseingang in der Industrie verlangsamt sich. „Die fehlende Reaktionsfähigkeit der Politik betrifft jedoch alle Sektoren. Früher vollzogen sich Entwicklungen langsam und vorhersehbar, heute sind wir mit einem enormen Tempo, hoher Volatilität und geopolitischen Krisen konfrontiert. Die Politik hinkt all diesen Entwicklungen dramatisch hinterher. Wir brauchen aber politische Handlungsfähigkeit, um den Wohlstand zu sichern“, sagt Klaus Mark zum Abschluss der Diskussion.