Tiroler Adler Runde im Dialog mit Landeshauptmann Mattle
Im Restaurant Das Grander diskutierten am 02. Juli rund 35 Mitglieder der Adler Runde mit Landeshauptmann Anton Mattle über unternehmerische Herausforderungen am Standort Tirol. Die Themen und das Grander Wasser sorgten für einen lebendigen Austausch in Wattens.
In seiner Begrüßungsrede zeichnete Christian Handl, Präsident der Tiroler Adler Runde, ein trübes Bild des Tiroler Industrie- und Wirtschaftsstandorts. Er kritisierte den politischen Reformstau und die daraus resultierende Unsicherheit für Unternehmen. Handl sieht innerhalb der ÖVP vor allem die Interessen der Beamten vertreten, während angesichts einer sinkenden Wirtschaftsleistung bei stagnierender Produktivität keine Alarmglocken läuten.
Unternehmen kämpfen mit hohen Energie-, Logistik- und Materialkosten sowie gestiegenen Lohnkosten. Finanzminister Brunner lieferte mit einer 10-prozentigen Gehaltserhöhung für Bundesbeamte eine Steilvorlage, mit Auswirkungen auf die nachfolgenden Verhandlungen der Sozialpartner. Besonders ärgerlich sei, dass die Arbeitskosten für Arbeitgeber dramatisch gestiegen sind, ohne dass die Beschäftigten in gleichem Maße davon profitieren. Nur in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Belgien bleibt noch weniger Netto vom Brutto übrig.
Schleppende Fortschritte bei der Digitalisierung
Der digitale Akt kommt für Christian Handl ebenso wenig voran wie die Entrümpelung bürokratischer Schikanen. Auch die Praxistauglichkeit und Entbürokratisierung öffentlicher Ausschreibungen sowie die Notwendigkeit einer modernen Verwaltung wurden diskutiert. Das angekündigte Prinzip eines One-Stop-Shops wartet immer noch auf Umsetzung. Während skandinavische Länder ihre Verwaltung längst digitalisiert haben, müssen Tirols Unternehmerinnen und Unternehmer weiterhin Anträge umständlich ausfüllen und persönlich bei den Behörden abgeben. Im Bereich der Unternehmensinteressen soll laut Landeshauptmann Mattle künftig ein Standortanwalt die Prozesse effektiver und schlanker gestalten.
Handl: „Tirol könnte sich ein Vorbild an der Schweiz nehmen“
Christian Handl verweist auf die Situation in der Schweiz: „Während die Schweiz mit weniger Regulierungen und einer schlanken, serviceorientierten Verwaltung vorangeht, kämpfen wir mit politischem Reformstau, überbordender Bürokratie und einer der höchsten Abgaben- und Steuerbelastungen innerhalb der EU.“ Besonders vorbildlich sei in der Schweiz auch die enge Kooperation zwischen Forschungsstätten und Industrie. Dank eines integrierten Ausbildungssystems tauchen Studierende dort bereits während ihres Studiums in die Wirtschaftspraxis ein.
Österreich stagniert, Schweiz legt bei der Produktivität zu
Während Österreichs Produktivität stagniert und das Wachstum sinkt, verzeichnet die Schweiz Produktivitätszuwächse. Der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen sei zwar auch in der Schweiz hoch, allerdings unterscheidet sich die Definition von Teilzeit. In der Schweiz gilt eine Beschäftigung als Teilzeit, wenn der Beschäftigungsgrad einer erwerbstätigen Person bei ihrer Haupterwerbstätigkeit weniger als 90 Prozent beträgt. Da in Vollzeitstellen durchschnittlich 38,5 bis 42,5 Stunden pro Woche gearbeitet wird, liegt die 90-Prozent-Grenze bei für den Standort verträglichen 34,65 bis 38,25 Stunden pro Woche.
Mattle forciert den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen
Aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze arbeiten in Österreich, insbesondere Frauen, häufig nur in Teilzeit. Anton Mattle verweist in der Diskussion auf die Anstrengungen der Landespolitik, um diesem Problem entgegenzuwirken. Im vergangenen Jahr wurden 14 zusätzliche institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen eröffnet, und das Land investiert rund 160 Millionen Euro in Kinderbildung und -betreuung. Mattle möchte in Tirol mit einem Recht auf Kinderbildung und -betreuung vorangehen, um echte Wahlfreiheit zu schaffen. Bereits über 97 Prozent der über Dreijährigen und 34 Prozent der unter Dreijährigen werden in einer Kinderbildungseinrichtung betreut. Es besteht jedoch noch Aufholbedarf bei den Sommeröffnungszeiten sowie an den Tagesrandzeiten.
Mark: „Wir brauchen hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen“
Einige Mitglieder der Tiroler Adler haben bereits Erfahrungen mit der Gründung von Betriebskindergärten gesammelt. Klaus Mark initiierte vor zehn Jahren als Vizebürgermeister der Gemeinden Weer und Kolsass ein gemeinsames Kinderzentrum mit Kinderkrippe und Kindergarten. „Unser Engagement stieß damals auf Widerstand und Bedenken. Heute ist die Einrichtung etabliert und fördert als Leuchtturmprojekt die individuelle Entwicklung und das Selbstvertrauen der Kinder. Wir brauchen hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen mit gut ausgebildeten Elementarpädagogen. Es ist erfreulich, dass die Landespolitik diesen Bedarf erkennt“, so Klaus Mark im Rahmen der Diskussion.
Handl: Attraktivität nicht nur für Touristen erhöhen
Gegen Ende der Diskussion wies Handl auf den politischen Handlungsbedarf in den Bereichen qualifizierte Zuwanderung und Demografie hin. Er vermisst einen Masterplan für Tirol, um sich sowohl national als auch international als attraktive Zielregion nicht nur für Touristen, sondern auch für Fachkräfte zu positionieren. Tirol sollte längst mit optimalen Rahmenbedingungen bei Unterkünften, Kinderbetreuungsplätzen, serviceorientierten Onboarding-Stellen und gezielten Hilfestellungen, etwa bei der Sprachförderung, vorangehen. Eine ähnlich engagierte Initiative ist laut Handl im Bereich Standortentwicklung und Betriebsansiedelungen notwendig, um den Wohlstand weiterhin zu sichern.
Jährlicher Dialog mit Landeshauptmann
Die Tiroler Adler Runde trifft traditionell einmal jährlich den jeweiligen Tiroler Landeshauptmann zum gemeinsamen Austausch. „Von einem sachlichen Austausch profitieren immer beide Seiten. Ein funktionierender Wirtschaftsstandort mit national wie international erfolgreichen Leitbetrieben ist das Fundament für die Erhaltung unseres Sozialstaates. Denn es kann nur verteilt werden, was zuvor erwirtschaftet wurde“, so Christian Handl abschließend.